Abstraktion in der Kunst hat eine komplexe Geschichte: Ihr Ausdruck und ihre Rezeption sind voller Widersprüche und Widerstände. Eine Übertragung des Begriffs in die Gegenwart kann nur im Rahmen einer Revision gelingen. Abstraktion hat keinen Manifestcharakter, sie ist vielmehr wandelbar und interpretierbar. Deshalb hat sie nicht bloß als Zitat überlebt, sondern ist auch ein gegenwärtig relevanter Ausdruck.
Im Gegensatz zur Entstehungszeit der abstrakten Kunst ist die heutige visuelle Kultur geprägt von abstrakten Bildern und Begriffen. Im Wesentlichen sind es technische, medizinische oder mathematisch-statistische Informationen die abstrakte Bilder und Sinnbilder liefern. Aber Abstraktion ist auch Ausdruck produktiver Erprobung im Feld der Kunst: Haltung und Material, Verfahren und Form, Modell und Motiv stehen im Mittelpunkt. In diesem Sinn ist Abstraktion keine Übersetzung, sondern Zeugnis einer eigenen Wirklichkeit.
Erschöpfung bedeutet erschöpfend tätig zu sein: Etwas so lange zu bearbeiten, bis es scheinbar alle formalen Variablen durchlaufen hat. So wird Erschöpfung als Akt verstanden, der sich der ressourcensparenden Ökonomie der Mittel und der simplen Logik von Rationalität und Produktion entzieht. Aber Erschöpfung ist auch Sinnlichkeit. Ein Zwischenreich der Erfahrung und Inspiration. Kein Leistungsnachweis im Zeichen verbrauchter Kräfte, sondern Präzisierung und Neufassung, Verdichtung und Durchdringung, Reduktion und Reproduktion. Hier findet die Erschöpfung Anschluss an die Abstraktion, die gleichermaßen Struktur und Form, Ausdruck und Auftritt variiert und in Frage stellt. Im Entzug der klaren Interpretation und im Verbrauch der Ressourcen liegt ein Widerspruch begründet.