Galerie b2

Ausstellungsansicht

Galerie b2_ freut sich die Ausstellung »Meyer Hilgenfeld Tarr« zu präsentieren. Sie zeigt Bilder und Objekte der drei Künstlerinnen Inken Hilgenfeld, Berlin/Regensburg, Bea Meyer, Leipzig und Hajnalka Tarr, Budapest. Die Künstlerinnen verbindet ihr Interesse am scheinbar Banalen und die Verwandtschaft der formalen Umsetzung ihrer Arbeiten. Inken Hilgenfeld untersucht optische Illusionen. Sie kombiniert abstrakt geometrische Spiegelarbeiten mit einer Reihe von filigranen Wandobjekten aus Holzleisten.  Hajnalka Tarr und Bea Meyer teilen die Vorliebe für repetitive Herstellungsprozesse. In ihrer Arbeit „attachments“ verknüpft Tarr Büroklammern zu einer Wand, metallisch, transparent und beweglich zugleich. In Ihren Bildern arrangiert sie die Teile von Puzzeln alter Meister zu abstrakten Strukturen neu. Bea Meyer`s neue Werkreihe zeigt versprengte Lineaturen, schraffierte Flächen auf großzügig weißem Grund in fast Zen-artiger Zurückgenommenheit. Großformatige Papierflächen, die Meyer als Trägermaterial verändert und ihre Tiefenstruktur ins Spiel bringt. Die Künstlerinnen, deren Namen für die Ausstellung stehen, sind Puristinnen. Fern vom Effekt erzählen sie uns vielschichtig von den subtilen Bedeutungen der Dinge, ihren Kontexten und unserer Wahrnehmung.

Ausstellungsansicht
Hajnalka Tarr
Attachment, 2008
Installation, Büroklammern, Stahlrohr
3,5 x 5,5m
Hajnalka Tarr
Attachment, 2008 (Detail)
Installation, Büroklammern, Stahlrohr
3,5 x 5,5m
Hajnalka Tarr
Caravaggio Bacco, Aus der Serie «according to taste», 2011
Spanplatte, Puzzle
95 x 82 cm
Hajnalka Tarr
Caravaggio Bacco, Aus der Serie «according to taste», 2011
Spanplatte, Puzzle
95 x 82 cm

Dinge des Alltags, Provisorien und Fundstücke

Im Zentrum der Arbeiten von Inken Hilgenfeld stehen Objekte und Objekt-Arrangements, denen ein Hauch von Improvisation und flüchtiger Begegnung anhaftet. In ihren Objekten, Zeichnungen, Frottagen, Fotografien, Textarbeiten und ortsspezifischen Installationen beschäftigt sich Hilgenfeld mit alltäglichen Gegenständen und den vielfältigen Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung. So werden der Blick und dessen Verwandlung auch anhand optischer Illusionen (z.B. subjektiver Würfel, 2011) thematisiert. Dabei ist ihr behutsamer Umgang mit den untersuchten Dingen, charakteristisch. Durch minimale Eingriffe oder ungewohnte Kombinationen treten neue Aspekte hervor. Der Arbeitsprozess bleibt den Gegenständen eingeschrieben. Das verwendete Material ist denkbar minimal, beispielsweise Streichhölzer, Plakatreste, Spiegel oder andere Alltagsgegenstände mit Gebrauchsspuren.
So stehen nicht länger die Funktionen der benutzten Gegenstände im Mittelpunkt, sondern deren Form- oder Farbverwandtschaften.
Hilgenfelds künstlerisches Vorgehen ist dem Besonderen im scheinbar Banalen auf der Spur. Durch Umfunktionieren, Enthüllen oder Ausschneiden werden Inhaltsschichten sichtbar gemacht , die vorher verborgen waren.
Das Verhaftet-Sein in den Realitäten des Alltags bei gleichzeitiger Offenlegung dessen magischen Potentials und den überraschenden Verwandtschaften ist dabei das verbindende Element über die unterschiedlichen Medien hinweg.
„Nichts geht verloren, nichts wird geschaffen, alles wird verwandelt.“ (Antoine Laurent de Lavoisier)
Die Beziehung zwischen Titel und Werk spielt eine wichtige Rolle, der Titel ist ein ergänzender Teil des Gesamtwerkes, nicht frei von Ironie und Humor.

Inken Hilgenfeld
SUBJEKTIVER WÜRFEL, 2011
MDF beschichtet
180 x 180 cm
Inken Hilgenfeld
o.T., 2011
Collage, Papier, Sprühlack, Glas, Tusche
52,5 x 42,5 cm
Inken Hilgenfeld
o.T., 2012
Tusche auf Malkarton
64 x 64 cm
Inken Hilgenfeld
o.T., 2012
Sprühlack und Marker auf Spiegel
44,5 x 33 cm
Inken Hilgenfeld
o.T., 2012
Sprühlack und Marker auf Spiegel
51 x 37 cm

Über Kippbilder 1, 2, 3

Zart schraffierte Flächen und versprengte Lineaturen auf großzügigem weißen Grund – die erste Anmutung der neuen Werkreihe von Bea Meyer ist die des Ephemeren, eine fast Zen-artige Zurückgenommenheit. An Vogeltritte in einem Schneefeld könnte man etwa angesichts schwarzer Strichelbündel denken, die sich mal verdichtend, dann wieder zerstreuend zu einer unentzifferbaren Figur fügen. Auch wenn der Gestus einer Zeichnung in dieses Bild eingegangen ist – und im Fall der‚ Schraffuren’ die Optik computergenerierter Bilder –, transformieren Material und Arbeitsweise beides in etwas grundsätzlich anderes. Wie in anderen Werkreihen arbeitet Bea Meyer auch hier mit Nadel und Faden.

Anstelle der Erzeugung von Spuren auf einer Oberfläche wird jene also perforiert, das heißt, das Trägermaterial wird verändert und seine Tiefenstruktur ins Spiel gebracht. Das Papier, das Meyer hier als Trägermaterial dient, ist aus Manilahanf gegossen und verfügt daher über eine besondere Reißfestigkeit, die der potentiellen Zerstörung durch seine zweckentfremdete Bearbeitung entgegenwirkt. Die basale Kulturtechnik des Nähens steht für die Herstellung dauerhafter Verbindungen, für das Zusammenfügen von Einzelteilen zu einem stabilen und dennoch flexiblen Ganzen. Das verwandte Sticken dient demgegenüber zwar hauptsächlich der dekorativen Verschönerung, gilt aber ebenso wie das Nähen weniger als eine schöpferische Tätigkeit denn als ein Handwerk, dessen Ausübung viel mit Repetition zu tun hat und in besonderem Maße Konzentration, Präzision und Ausdauer verlangt. Bea Meyer verwendet beide Techniken gewissermaßen gegen den Strich – so durch ihre Anwendung auf die Beiläufigkeit und die Spontaneität von Kritzeleien, denen sie zu einer Solidität verhilft, die dem ersten Augenschein widerstreitet. Zugleich ‚entbirgt’ sie das Nähzeug aus seiner Zuhandenheit – um es mit Heidegger zu versuchen –, das heißt befreit es aus seiner Dienstbarkeit und öffnet den Blick für seine eigenständige ästhetische Dimension: die raue Haptik des Wergs, die Glätte und der Glanz feinen Garns, das Volumen von Naht und Stichen, die Faserigkeit von Papieren. Betrachtet man Technik und Wirkung zusammen erhalten die Arbeiten der Werkreihe etwas von Kippbildern: allerdings nicht im Sinne des Changierens zwischen Figur und Grund, sondern zwischen Zeichnung und textiler Skulptur. Welche der Ebenen in den Vordergrund tritt, ist eine Frage von Nähe und Distanz, des Wechsels zwischen verschiedenen Standpunkten. Die Herausforderung an die Betrachter besteht darin, beide Ebenen gleichzeitig in den Blick zu bekommen und in der Schwebe zu halten – als zwei Ebenen, die ineinander greifen wie die zwei roten Ringe, die aus der (Werk)Reihe zu tanzen scheinen und sie dennoch wie ein Anker zusammenhalten.

Susanne Holschbach

Bea Meyer
»1«, 2012
Acetatgarn genäht auf Papier
165 x 165 cm
Bea Meyer
»2a«, 2012
Baumwollgarn genäht auf Papier
120 x 120 cm
Bea Meyer
»2b«, 2012
Baumwollgarn genäht auf Papier
120 x 120 cm
Bea Meyer
»3a«, 2012
Hanfwerg genäht auf Papier
120 x 120 cm
Bea Meyer
»3a«, 2012
Leinengarn genäht auf Papier
165 x 165 cm