Ein geduldiger und nutzloser Aufwand nahm seinen Anfang, als wir zuerst begannen, die Welt zu lesen. (Alberto Manguel)
Es kippelt, es scheppert und klappert. Fernab menschlicher Kontrollmöglichkeiten und Vorhersagbarkeiten schieben sich Schichten und Scheiben aneinander und bringen unser wohlgeordnetes System in ein heilloses Durcheinander. Bilder hängen schief, Regale stellen sich schräg, Hütten klappen kartenhäusergleich zusammen. Die Dinge überschütten und übergießen sich. Kleine Ausnahmezustände oder humanitäre Katastrophen, in sicherer Regelmäßigkeit folgt das Ordnen, das Aufbauen, das Schichten und Stapeln. Jedes Ding hat seinen Platz, jede Sache seine Funktion. Die Steine aufeinander, die Bilder an die Wand.
Es muss nicht eine Katastrophe solchen Ausmaßes geschehen, um in nahezu jeder Stadt, und dies kann durchaus als global bezeichnet werden, kleine oder große Formationen zu entdecken, die aus gewohnten Ordnungsprinzipien herausfallen. Zum Beispiel an Baustellen: hier entsteht etwas und befindet sich im Prozess. Morgen wird es anders sein als heute. Oder auch an sogenannten „Un-Orten“ oder „Nicht-Orten“. In der Merkwürdigkeit dieser Bezeichnungen ist genau das benannt, was sie sind: unbenennbar, keiner Ordnung zufügbar, durch Zufall oder Achtlosigkeit entstanden, durch Achtlosigkeit oder Armut konserviert. Hier wohnen die Fehler, die Ausgestoßenen, die nebensächlichen und hässlichen Konstellationen.
Cindy Schmiedichen arbeitet auf zwei Seiten: sie sammelt die Dinge, die aus einem funktionalen Kreislauf herausgetreten sind, kaputt, überflüssig, unbrauchbar. Und sie kauft die Dinge, die etwas werden sollen, noch jungfräulich ungeformt, Gips, Ton, Klebeband, hoffnungsfroh, nun ihrer Rolle zugewiesen zu werden. Interessant ist diese Doppelrolle mit Blick auf ihr konkretes Arbeiten: Industriell gefertigte Artikel treffen Handmade, teilweise hilflos wirkend Gebasteltes, und finden sich in einem Zwischenreich wieder, in dem sie eine seltsame Annäherung, wenn nicht gar Verwechslung erfahren. Die Geste, die hierbei entsteht, lässt die Künstlerin hinter ihrem Werk zurücktreten, das einen Raum findet mit weißgestrichenen Wänden, ein Zuhause für die Fehler, die Ausgestoßenen, die nebensächlichen und hässlichen Konstellationen. Einen Raum für den Zufall, die Hoffnung und das Glück.
… für nur kurze Sekunden… alles hat gescheppert… wie ein Brummen…, schrieb Cindy Schmiedichen in einer Email aus Tokio, 2008. Ein geduldiges Lesen von Welt, mit einem immer wieder laut werdenden Brummen, beginnt auf ein Neues.
Rebecca Wilton