
Die Fülle die verschwindet
Drei monochrom gestaltete Wandfresken strukturieren die beiden Galerieräume: Für ihre Rauminstallationen arbeitet Carolina Pérez Pallares direkt mit Tusche und Gips auf die Wände. Zwischen und auf die so entstandenen Flächen setzt sie einzelne Malereien sowie Gips- und Papierarbeiten. Die Wandarbeiten fungieren somit zusätzlich als Trägerflächen und beherbergen neue Reliefstrukturen. Im Raum verteilt stehen vitrinenartige, fragile Skulpturen. Sie sind mit einer feinen Schicht aus gelbem Kreidestaub bedeckt und dienen wiederum selbst als Trägermaterial für leichte Papierarbeiten.Die Farben Blau, Rot, Gelb und Grün sowie Nuancen von Weiß bilden die Grundlage für Carolina Perez Pallares’ Arbeiten, ebenso wie die von ihr verwendeten Materialien Tusche, Tinte, Kreide und Gips. Die vier Farben werden von Weißschichtungen überlagert und zu neuen Farbräumen geformt. Durch die Schichtungen entstehen Farbnuancen und eine soghafte Tiefenwirkung, die den Bildraum dreidimensional anmuten lässt.
Carolina Pérez Pallares entwickelt einen erweiterten Malereibegriff: Sie zerlegt die Malerei in ihre Bestandteile, demontiert sie und stellt sie vor Ort im Zusammenspiel aus dem Raum selbst sowie all diesen Elementen einander fragmentarisch gegenüber. Carolina Pérez Pallares’ künstlerische Praxis legt Schichten auf Schichten und erschafft ein non-figuratives Narrativ aus Fragmenten und ein Archiv flüchtiger Momentaufnahmen, die assoziative Bildwelten eröffnen.
In dieser Ausstellung konzentriert sie sich auf eine reduzierte Präsentation deren Fokus auf einer haptischen Herangehensweise liegt. Die einzelnen Materialien legen sich als nahezu fühlbare Schicht in den Raum und lassen einen Moment der Stille und Konzentration entstehen. Die Installationsform ermöglicht eine körperliche Annäherung an die verschiedenen Oberflächen und Objekte. Sie animiert die Betrachter:innen dazu, sich diesen aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern, um die Komplexität der Oberflächen aus mehreren Distanzen wahrzunehmen.
Nach demselben Prinzip der Freskoflächen entstehen kleine Gipsarbeiten sowie übermalte Fotografien. Im Prozess überlagern sich Schichten, Farben werden reduziert, aus der Fülle heraus verblassen Bildelemente und werden transluzent – die einzelnen Schichten lassen sich dadurch weiterhin erahnen, ebenso wie die ursprüngliche Komposition der Fotografien.
In der Auswahl der Fotografien eröffnet sich ein Einblick in biografische Bezüge der Künstlerin sowie ihr Umgang mit Licht und Komposition und der Ansatz mit Form- und Farbgegensätzen zu spielen.
In ihren Arbeiten verschmilzt Carolina Pérez Pallares eine Auseinandersetzung mit Maltraditionen, den feinen Farbabstufungen der Freskotechniken der Renaissance und dem Beginn der Abstraktion. Sie zerlegt die Malerei in ihre Bestandteile, dekonstruiert das Zusammenspiel der Einzelteile um sie neu zu verorten und eine individuelle Lesart zuzulassen.
In einer spielerischen Ergänzung zu den sensibel geschichteten und formreduzierten Arbeiten stehen die erzählerischen Titel. In ihnen findet sich eine Poesie der Skurilität, die eine ebenso große Ernsthaftigkeit birgt. Die kryptischen bis poetischen Satzteile ergänzen die optische Reduziertheit der Arbeiten und fügen ihnen das Element der Selbstbefragung des Prozesses an sich und des Seins hinzu.
Lissy Würzl, 2025



