Habitable Zone
Die Ausstellung erforscht die Idee einer habitablen Zone als Raum, in dem Leben nicht nur möglich, sondern die auch Bedingung ist, um individuelle Erfahrungen in künstlerische Projektionsräume zu transformieren. Das All, die Stadt, der Galerieraum und das Atelier selbst bilden so Ausgangspunkt und Schnittstelle realer und möglicher Räume. Die unterschiedlichen künstlerischen Verfahren von Doris Frohnapfel, Caroline Hake, Timo Hinze, Florian Merdes, Heide Nord und Anna Vovan bilden auch die Spielräume fotografischer Arbeit ab.
Anna Vovan - Atem (2023)
Vovans Atemobjekte entstanden ohne Skills und ohne Aktivierung des gestalterischen Willens. Folgt man Foster Wallaces Protagonisten, hätten sie deswegen auch eine gewisse fotografische Qualität. Und tatsächlich behandelt Anna Vovan die entstandenen Atembehälter aus Glas im fortlaufenden Prozess wie fotografische Negative.
Mit dem Overheadprojektor durchleuchtet sie Form und Inhalt und lässt die Projektion schließlich auf Fotopapier treffen. Hier beginnt das exakte Arbeiten, der Abschied vom Geschehen lassen, der Einsatz kognitiver Funktionen […] Darin erkennbar wird eine Gebrauchsweise von Fotografie, die den passiven Anteilen den größtmöglichen Platz zugesteht.
aus “Hold Your Own” von Carsten Tabel
Timo Hinze – Auto (2024)
Für die Gruppenausstellung „Habitable Zone“ hat Timo Hinze eine Auswahl aus einer Werkserie getroffen, die verschiedene Blickwinkel auf moderne Fahrassistenzsysteme und Rückfahrkameras in Fahrzeugen zeigen. Die Fotografien fangen die Ästhetik der digitalen Anzeigen und die Lichtreflexionen in den Bildschirmen ein, während sie gleichzeitig die Präzision und Technologie moderner Autos zeigen.
Heide Nord – Sea of Dreams (2023)
[…] In den Fotografien der Serie Sea of dreams spielt Heide Nord mit unserem Blick und unserer Erwartungshaltung […] sie scheinen auf den Komplex Kartografie zu verweisen […] Tatsächlich zeigen sie Aufnahmen von Schleifpapieren, die Heide Nord zum Glätten der Sägekanten der Acrylglasobjekte […] benutzte. […]Es sind fiktive Weltraumbilder, deren Entstehungsprozess an die Bedingungen der frühen Science-Fiction erinnert […] In endlosen, manuellen Schleifprozessen bearbeitetes Material bringt schließlich, wie von selbst, ein Bild eines fiktiven Raums hervor, den es für den Betrachter zu erobern gilt.
aus "Many Moons" von Carsten Tabel
Doris Frohnapfel – Fotoskripte (1994)
Die Bilder sind aus gerasterten lithographischen Filmen und (Film-)Textschnipseln analog (negativ) collagiert, mit Ulanofolie auf ein Format von 4,5 x 6 cm abgeklebt und im analogen Fotolabor vergrößert. Die Filmcollagen sind 1994 aus Resten/Abfall entstanden. Die Ausschnitte geben fragmentierte Raumeindrücke und Wort/Sinnbruch stücke wieder, die versuchsweise existenzielle affektive Fallkonstellationen künstlerischer Arbeit und Forschung im künstlerischen Arbeitsraum, dem Atelier andeuten. Die Arbeiten wurden 2021 für die Ausstellung in der Galerie M29 mit dem Oberbegriff „Fröhliche Wissenschaften“ neu aufgelegt. Thematisch wird hierbei auf das Atelier als Laboratorium oder Wissenschaftsraum künstlerischer Arbeit Bezug genommen.
Florian Merdes – Vibe Shift (2024)
Im Zaunfragment am Rand der Stadt zeigt sich eine Spur nach vorn. / Plastik im Pyrozän – oder Plastozän im Feuer? / Flüssig, fest, heiß, kalt, artifiziell, natürlich. / Die Unterscheidungen werden haltlos. / Als Teil des Anderen sein. / In und aus. / Ohne Gegenüber im neuen Wir ähnelt es nicht nicht nur, sondern ist bereits.
Heide Nord - Space Roses (2021)
Die Schwarzweißfotografien von Heide Nord beschäftigen sich mit […] Signalen, die über ihren reinen Informationsgehalt hinausweisen. […]
Die kleinen Schrifttafeln zeigen Titel wie APOLLO XI, WOSCHOD oder KOSMOS, wobei im Hintergrund die Rosen in ihrer Vegetationsruhe zu sehen sind. Die Bilder verweisen einerseits auf einen Pioniergedanken, […] Andererseits erscheinen die vermeintlich unspezifischen Gewächse als Platzhalter[…] Die Rosen stehen dahingehend in direkter Verbindung mit der Raumfahrtgeschichte zur Zeit des Kalten Krieges. Die ihnen zugeordneten Schrifttafeln verweisen auf die systematische Erfassung des Weltalls und fungieren in diesem Sinne als Referenzobjekte.
Textauszug aus "Ständige Signale" von Marcus Schüler
Caroline Hake – Piazza (2024)
Der Piazza Oberdan in Triest ist nach der Machtergreifung Mussolinis sukzessive zu einem modernen Regierungs- und Militärzentrum umgebaut worden. Die Bauten repräsentieren die Macht und Ideologie des italienischen Faschismus.
Auf diesem Platz befindet sich seit 1974 eine Bronzestatue des Künstlers Marcello Mascherini, die zwei sich umarmende Figuren darstellt und das „Hohelied der Liebe“ (Bibel, 1. Kor 13) symbolisiert. Offiziell hieß es, dass diese Statue im Sinne des Künstlers posthum als Mahnmal zur Völkerverständigung dort aufgestellt wurde. Ein vermeintlicher Versuch, der Architektur des Faschismus etwas entgegenzusetzen und diese nicht unkommentiert im öffentlichen Raum hinzunehmen.
Nach Recherchen stellte sich jedoch heraus, dass Marcello Mascherini von Mussolini selbst und dessen Regierungsapparat für seine Werke ausgezeichnet und nach Ende des Faschismus als prominenter Künstler weiter gefördert und verehrt wurde.
Timo Hinze - Draft (Slideshow) (2017)
Draft (Slideshow) zeigt Fotografien von computergenerierten Abbildungen entstehender Bauwerke, die auf Bautafeln und Bauzäunen zu sehen sind. Das Rendering ist die Bildtechnik der Spekulation, sie vermag es in rechenintensiven Vorgängen, Entwürfe real erscheinen zu lassen. Das previsualisierte Bild funktioniert wie ein visueller Optionsschein, es ist Zeichen einer Ausweitung der gegenwärtigen Produktion und Repräsentation von Lebensmodellen bis tief in die Zukunft hinein. In diesen Bildern wird also der Entwurf real. Sie zeigen Potenzialität als das, was wahrhaftig ist. Mon, Tue, Wed, Thu, Fri, Sat, Sun – Geordnet in sieben Episoden nähert sich die Arbeit einer filmischen Narration an und schafft das Porträt einer potenziellen Stadt.