Um das Jetzt zu verstehen brauchen wir das Zuvor und das Danach. Wiederholen sich Vorkommnisse in ähnlichen Zeitabständen erkennen wir Muster, Rhythmus, Takt. Wir geben Rhythmus und nehmen ihn auf. Als Embryo begleitet uns der Puls der Mutter und die Taktfolgen ihrer Lebensführung. Nach circa sechs Wochen fügen wir unseren eigenen Herzschlag hinzu. Unser Leben beginnt mit Schlägen pro Zeit, mit sich überlagernden Taktfolgen. Jahreswechsel, Tag-und-Nacht-Folge, Licht, Musik, Motoren, Raster oder Computerprozessoren. Uns bestimmen und wir bestimmen periodische Vorgänge gleichzeitig, seien sie biologisch, technisch, psychisch, physisch oder deren Kombinationen. Sie prägen bewusst und unbewusst unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Bea Meyer ist fasziniert von diesen Frequenzen. Sie arbeitet mit diesen, sich wiederholenden Vorgängen inhaltlich wie handwerklich. Was aber machen wir mit ihnen? Und was machen sie mit uns? Was bedeutet die Impulsfolge der Handgriffe für die Herstellung und Wirkung ihrer Bilder? Gibt es eine Gleichzeitigkeit von An- und Abwesenheit im Prozess des Machens? Wie gehen wir mit Parallelprozessen um? Wann und wie dehnt, bzw. staucht sich unsere Zeit? Wieviel Gleichzeitigkeit halten wir aus? Wann brechen wir mit dem Raster unserer zeitlichen und räumlichen Vorgaben? Wie blicken wir in die Zukunft, wenn unsere Projektionen auf der Basis unserer abgespeicherten Erfahrungen passieren? Welche Erwartungen haben wir dann an Kommendes? Wo ist Raum und Zeit für Unvorhergesehenes? Wie verarbeiten wir Unregelmäßigkeiten? Sind Katastrophen grundlegende Brüche in den Taktfolgen unserer alltägliche Prozesse? In der Ausstellung »jetzt« verschränkt die Künstlerin verschiedene künstlerische Formate und löst die Grenzen zwischen Darstellung, Inhalt und Handlung auf. Zwei Wandbilder, neue textile Arbeiten und eine Aktion formulieren Überlegungen zur Selbstwahrnehmung, zu Fremd- und Selbststeuerung. Mit der Aktion »jetzt« plant Bea Meyer über die Dauer der Ausstellung täglich über Stunden die selbe Strecke zu gehen und lädt Menschen ein, sie einzeln dabei zu begleiten. Mit dem Gehen als sich selbst genügende Tätigkeit an festen Terminen gibt sie eine Struktur vor, die sich als Darstellung im Lauf der Ausstellung im Galerieraum abzeichnet.
Michael Grzesiak
Fotos: Gustav Franz