Nichts ist geheimnisvoller als der Komplex der immer gleichen und doch unvorhersehbaren Methoden, mit denen die Nacht dem Tage folgt. Plötzlich erscheint ihr Zeichen am Himmel, begleitet von Unsicherheit und Angst. Niemand kann die einmalige Form vorhersagen, die der nächtliche Aufstieg diesmal wählen wird. Eine unergründliche Alchemie verwandelt jede Farbe in ihr Komplementär, während doch jeder weiß, daß man auf der Palette unbedingt eine andere Tube öffnen muß, um zum selben Ergebnis zu gelangen. Aber für die Nacht haben die Mischungen keine Grenzen, denn sie eröffnet ein falsches Schauspiel: der blaßrote Himmel wird grün, aber nur deshalb, weil ich nicht darauf geachtet habe, daß einige Wolken mittlerweile hochrot geworden sind und auf diese Weise, durch Kontrast, einen Himmel grün erscheinen lassen, der zwar rosa war, jedoch von so blasser Färbung, daß er nicht mehr gegen die Grelle der neuen Farbe ankämpfen kann, die ich dennoch nicht bemerkt habe, da der Übergang von Gold zu Rot weniger überraschend ist als von Rosa zu Grün. Die Nacht schleicht sich also gleichsam durch Betrug ein.*
* Lévi-Strauss, Claude. Traurige Tropen. Übersetzung: Eva Moldenhauer, Suhrkamp, Frankfurt. 1978.
Farblose grüne Ideen schlafen zornig.*
*Chomsky, Noam. Syntactic Structures, p. 15. Berlin: Mouton de Gruyter. 2002.
In Michael Hahns Arbeit werden Objekte wiederverwendet und neu zusammengesetzt, um die aktuellen Kombinationen nicht nur neu und aufregend zu machen, sondern auch als Aufforderung, den Bedeutungshorizont aufzubrechen. Die Objekte sind wie Worte. Sie werden neu kontextualisiert und wiederentdeckt. So drehte sich das Gespräch zwischen Hahn und Freunden an einem Abend um eine Arbeit, die er einmal ausgestellt hatte und wieder ausstellen wollte. In der Arbeit gab es ein Element einer Höhle, und dann krabbelte ein Kind hinein, hatte einen Moment lähmender Klaustrophobie und es musste ihm herausgeholfen werden. Hahn wurde gefragt, ob er vorhabe, das Werk bei der nächsten Ausstellung zu verschließen, und die Antwort lautete – als wäre es selbstverständlich –, dass es verkehrt herum gezeigt werde. Die Reihenfolge ist entscheidend. Ändert sich die Reihenfolge des Verbs und Substantivs, wird aus einer Frage eine Aussage oder andersherum. Genau darum geht es: Was ist beunruhigender, die Antwort oder die Frage? Und was kam zuerst?
Ein Bildschirm, der seine eigene Verpackung als Kissen benutzt, sonnt sich im Licht eines Projektors und winkt den Betrachtenden zu – macht sie fasziniert und leicht verunsichert zugleich. Die Weltzeituhr, die als antiquiertes Kontrollzentrum fungiert, sitzt in einem kleinen Raum, blinkt vor sich hin und sagt Dinge, die ebenso wichtig wie wenig hilfreich sind. Die Sprache bricht auseinander, Wörter werden zu Hundepfeifen, zu Nebelhörnern, zu Stille, aber der Körper bleibt – Objekte als Sprache im weiteren Sinne.
Mit der Erkenntnis, dass es keinen festen Boden gibt, entsteht ein gewisses Maß an Angst. Die Struktur der Bedeutung ist eine Struktur mit negativer Bedeutung, sie ist die Summe dessen, was sie nicht ist. Nach der Unruhe, die aus der Instabilität und Verwirrung entsteht, kommt das Spielerische. Dort ist der Wandel eine Konstante und es herrscht Freude an neuen Verbindungen, die im Nebel der negativen Bedeutungen entstehen können. Diese Verspieltheit, die aus der Ungewissheit resultiert, ist sowohl der Ort, an dem das Werk angesiedelt ist, als auch der Ort, an dem es die Betrachtenden zurücklässt. Es ist ein demontierender Schlag, der nachhallt. Keine direkte Frage wird formuliert, aber es stellt sich die Frage, ob der Treppenaufgang schon immer so war? Und welche Bedeutung hat diese bestimmte Farbe des Himmels mit dieser bestimmten Art von Beton?
Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber ich hoffe, dass ein gut platzierter sprichwörtlicher Stein des Anstoßes die Sichtweise auf die Welt zumindest ein wenig verändern kann. Um jedoch zu stolpern, müssen wir uns bewegen und damit wir dies tun, muss das Werk verführerisch sein und genügend Raum lassen, um hineingehen zu wollen.
Text von Guy Eytan