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Für das Projekt Border Horizons reiste Doris Frohnapfel von 2002 bis 2005 durch die Länder Europas, um deren natürliche, aufgebaute oder stillgelegte Grenzen zu foto- grafieren. Mit der Fotokamera drang sie in die unsicheren Zwischengebiete ein, jenen durchlässigen wie trennenden Grenzzonen. Unsere bedrohte, ungewisse Existenz spie- gelt sich hier wieder: unfrei, kontrolliert und den Anderen ausgeliefert. Die Grenze erscheint als der unbestimmte Leerraum, der zwischen Realität und Imagination, zwischen Sicherheit und Orientierungslosigkeit das Selbst von dem Anderen trennt.
Frohnapfel setzte später ihre Reisen fort, erkundete den Mittelmeerraum, suchte dort nach Bezügen und knüpfte Verbindungen zwischen Geschichte, Kultur und Fiktion. 2012/13 und 2014 führte sie ihre Reise in den Libanon.
Sie besuchte Beirut (2012 und 2013) und hielt sich dort anlässlich eines Kunstaustauschprojekts über mehrere Monate auf (2014). Auch hier waren heterogene Recher- chen der Ausgangspunkt ihrer Reise. Sie nutzte Doku- mentationen, Archive, Film und Literatur, um sich dem Land und seiner Geschichte anzunähern.
In Beirut fotografierte sie eine Serie von zerbombten Stadthäusern, die sie in Zwischenräumen und an Neben- ecken innerhalb der Stadt aufspürte: übrig gebliebene, verlassene, nutzlose Reste von Bauwerken in einer im Aufbau begriffenen Metropole. Dabei beschreiben ihre Bilder nicht nur den Verlust der alten Werte, der Schön- heit historischer Häuser oder die Traurigkeit über das Leid und den Tod, sondern auch unmittelbar das verlassene Schlachtfeld, das in seiner Trostlosigkeit und Einsamkeit sichtbar bleibt. Hier steht das Trümmerfeld für Sinnlosig- keit und Desillusion, für etwas Form- und Geschichts- loses, für das Chaos. Struktur, Konstrukt und harmonische Formen sind aufgehoben, die Häuser stehen da wie liegen gelassene, leblose, aufgerissene Körper.
Doris Frohnapfel sucht ihr Sujet an alltäglichen, unbe- achteten Nebenorten. Ihre im übertragenen Sinn archäologischen Fundstücke, die Scherben, die später in Bronze gegossen einen sichtbar anderen Wert erhalten, fand sie auf an geschütteten Hügeln, Abbruchhalden und Müllbergen, an so genannten vergessenen, unstabilen (Un-) Orten, wo weniger Schätze zu finden sind als viel- mehr undefinierte Dinge, zufällig dort hingekommene, unnütze, zerbrochene Fundstücke, die als vage, zufällige Teile der Geschichte verschüttet sind.
(Babette Richter, Galerie M29 Richter Brückner)