40 x 40 cm
Rahmung: Buche, hellweiß
2014
HD-Video, 16:9, Farbe, 45 Min.
Doris Frohnapfel und Ina Wudtke forschen anhand von Fotografien, die sie selber aufnehmen oder zu spezifischen Themen recherchieren. Beide Künstlerinnen untersuchen den städtischen Raum, sie begeben sich auf “Spurensuche” und “Spurensicherung”, orientieren sich an den Schichten und Sedimenten von Biografien, Orten, Städten und Territorien. Während Ina Wudtkes Fotoarbeit Gaps in Berlin von 2003, nach dem Ende des kalten Krieges in Berlin, Orte an denen ehemalig große jüdischen Einrichtungen in Berlin standen dokumentiert, untersucht Doris Frohnapfel die Stadt Beirut rund 20 Jahre nach dem libanesischen Bürgerkrieg. Ausgehend vom Fotografischen, als Medium des Dokumentarischen mit den ihm innewohnenden Verschiebungen im Kontext der Geschichte der Fotografie und der Bilder, dem Interesse an medienübergreifenden dokumentarischen Praktiken entstehen die Projekte von Doris Frohnapfel. Bilder, Texte und Materialien – vorgefundene, gefundene und aufgespürte, ermittelt, recherchiert, ausgegraben und aufgelesen – bilden die Hilfsmittel und Grundlagen des künstlerischen Prozesses der Visualisierung. Dabei werden nicht von der Hand zu weisende methodische und didaktische Formen produziert, die sich aber nicht aus pädagogischen und/oder wissenschaftlichen Unterweisungen herleiten. Einerseits geht es in der Praxis darum, Orte und Biografien als Geschichte und Geschichten zu verquicken – andererseits geht es mit der Verfahrensweise der Gleichzeitigkeit ans Werk, um aus Bildern, Texten und Materialen neue energetische (Ausstellungs-) Räume schaffen zu können. Wie schon in dem Projekt über die europäischen Grenzen im sich verändernden europäischen Raum (Border Horizons 2002-2005) bilden heterogene Recherchen auch in der Serie der Mediterranean Coordinates (2009-2014) wieder die Grundlage für eine Beschäftigung mit dem angrenzenden Mittelmeerraum in dessen Zusammenhang auch die Recherchen und Fotografien in Beirut entstanden sind. Doris Frohnapfels Arbeiten Confrontation Sites, Construction Sites und Rubble of Reconstruction entstanden 2012/2013 während zwei Aufenthalten in Beirut. Eine Serie Fotografien zeigt Gebäude- und Fassadendetails aus der Sicht der Fußgänger und aus der Sicht eines Normalobjektives. In Beirut, einer Stadt am Mittelmeer – im 20. Jahrhundert architektonisch geprägt durch das Osmanische Reich (bis nach dem Ende des Ersten Weltkrieges) und französisches Mandat (darauf folgend), die Unabhängigkeit (1943), die Moderne, teilweise zerstört durch Kriege, den Bürgerkrieg (bis 1990), erkennt man heute massive realisierte und in Realisation befindliche Stadt- und Gebäudeplanungen. Wie so oft in den Phasen eines „Wiederaufbaus“ nach einem Krieg und gleichzeitig der Entwicklung zu einer „Boomtown“ des 21. Jahrhunderts werden dafür viele historische Gebäude und geplante wie auch gewachsene Stadtstrukturen, die dem Kalkül und den Transaktionen der Bodenpreise nicht mehr entsprechen, nach Entmietung, Verkauf, Leerstand und Verfall preisgegeben. Aus dieser Beobachtung heraus entstand, entsprechend zu den Sammlungen kleiner Trumms deutscher und italienischer Trümmerberge eine Scherbensammlung aus Abrissgrundstücken in Beirut. In einer Vitrine werden diese Scherben und Bauschuttfragmente gezeigt: die Nummern ordnen sie den Fundorten zu und das Plakat verortet diese auf dem Stadtgrundriss. Eine andere Fotoserie zeigt Baustellen und ist aus Fotografien zusammengesetzt, die nach einer kurzen date-specific Fotosession (2.-7.10.2013) in Beirut entstanden. Galerie Gebäude 20D, Spinnereistraße 7 04179 Leipzig b2@ galerie- .de www.galerie- .de Telefon °°49 °341 351 29 365 Mobil °°49 °176 96 85 95 21 Ina Wudtkes Video Der 360.000-Euro-Blick von 2014 besteht aus einer einzigen Einstellung, dem Ausblick aus dem Fenster ihrer ehemaligen Wohnung in Berlin auf den Fernsehturm. Wudtke kombiniert den Blick auf Berlins Wahrzeichen mit einer Ich-Erzählung aus dem Off, in der Beobachtungen zu ökonomischen Strukturen und individuellen Lebensbedingungen, künstlerischer Produktion, sowie zu zeitgenössischer Politik und Stadtplanung, ineinander fließen. Die Privatisierunge der ehemaligen DDR-Liegenschaften bilden hier den Ausgangspunkt für ihre Reflexionen über die gewachsenen Stadtstrukturen, die dem Kalkül und den Transaktionen der Bodenpreise nicht mehr entsprechen, nach Entmietung, Verkauf, Leerstand und Verfall, dem Abriss preisgegeben sind. Neben der Privatisierung und Ökonomisierung des ehemals öffentlichen Raums reflektiert Wudtke auch die symbolischen Besetzungen der Stadt, die sich nicht nur in der Mobilisierung für ein Stadtschloß im Zentrum von Berlin zu erkennen geben. Wudtkes Fotoarbeit Gaps in Berlin von 2003, die nun erstmalig in Form von farbigen C-Prints gezeigt wird, zeigt Orte an denen sich öffentliche oftmals größere jüdische Einrichtungen in Berlin befanden: Schulen, Krankenhäuser, Synagogen, private Firmen und Geschäfte. Seit der Machtergreifung der Nazis sind sie aus dem Stadtbild verschwunden und haben eine sichtbare – oder unsichtbare – Lücke hinterlassen. Die Fotografien dokumentieren was 2003 an diesen Stellen stand und wer den jeweiligen Ort nutzte. Neben den Abbildungen erscheint auf jedem Foto ein kurzer Text, der die Adresse, die ehemaligen Eigentümer und die heutigen Nutzer bezeichnet. Wudtke, die in ihren Arbeiten oft biografische Bezüge einfließen läßt, bezieht ihre Arbeit Gaps in Berlin in den Videomonolg von Der 360.000-Euro-Blick mit ein. Sind doch die hier gezeigten ehemaligen „Brachflächen“ und „Orte der Vertreibung“, zumeist die Spekulationsobjekte der Gegenwart geworden von denen Der 360.000-Euro-Blick handelt. Ina Wudtke arbeitet mit künstlerischen, musikalischen und kuratorischen Techniken, die in Ausstellungen, Installationen, Fotos, Videos, Musik und Textproduktionen konvergieren. Ihre Arbeiten bearbeiten Themenfelder wie Gender, Identität, Arbeit, Sound und Stadt. Anfang der 90er arbeitete sie zumeist mit größeren, konzeptuellen fotografischen Portrait-Serien, die sie in Form von Installationen zeigte. Angeregt wurde diese Vorgehensweise durch ihre Tätigkeit als DJ, der sie Techniken wie Mixing, Serialität und Re- Repräsentation entlehnte und in den Kunstkontext transferierte. Diese Strategien haben Ihren Ursprung in dem, was der führende britische Theoretiker Paul Gilroy den „black atlantic“ genannt hat. Die Arbeit Gaps in Berlin von 2003 zeigt erstmalig Gebäude, die anstelle von ermordeten jüdischen BerlinerInnen fotografiert wurden. Zunächst als digitale Bild- und Textanimationpräsentiert, bildet diese Arbeit auch den Einstieg in Wudtkes heutige Videoarbeiten.