Ronny Szillo behandelt nicht die großen Themen, er betreibt keine subjektivistische
Nabelschau und untersucht keine Formprobleme, die ausgewählte
Techniken oder Medien ihm aufgäben. Vielmehr stehen Mechanismen
des Medialen selbst im Zentrum seiner Erforschung einer Welt des
Post-Digitalen. Hier, wo Smartphone und Tablet als multimedial-interaktive
Prothesen und beinahe zum Körperorgan gewordene Interfaces die
lebensweltliche Grenze zwischen analoger und digitaler Sphäre beinahe
aufzuheben scheinen, in diesem Spannungsfeld, entstehen Szillos Arbeiten.
Durch Zweckentfremdung oder Manipulation alltäglich gewordener
Consumer-Technologien generiert er zunächst im Virtuellen Pieces, die als
IRLs in die Objektwelt des ‚realen Lebens‘ rückübersetzt die Kennzeichen
ihrer digitalen Herkunft niemals verleugnen können. Kalkulierter Kontrollverlust
und glitches generieren sperrige Remixes allgegenwärtiger Konsumpraktiken
und machen dabei ästhetische Potentiale auf der Rückseite
der banalen Benutzeroberflächen sichtbar.
Die Form der Präsentation erinnert dabei an die ahierarchisch dicht gedrängten
Posts auf seinen zahlreichen Tumblers. Sie kann gelesen werden
als kritische Stellungnahme gegenüber traditionellen Formen der
Präsentation scheinbar auratischer Einzelwerke in Ehrfurcht gebietenden
White Cubes oder Musentempeln. Szillo lässt die Zügel schleifen und so
tritt der ‚Künstler‘, den man anhand seiner Werke als kreative Persönlichkeit
zu konstruieren gewohnt ist, in den Hintergrund, kenntlich nur noch als
Initiator einer skurilen halb-automatisierten Massenproduktion und ihrer
unberechenbaren Effekte.
Martin Bull
Was bedeutet es, ein Medium als Spur und das derzeit vielleicht meistgebrauchte
Telekommunikationsmittel in Form von Abdrücken als mediales
Leitfossil darzustellen? Die Frage, inwiefern Medien als potentielle
Bedeutungsträger und Verweisobjekt, kurzum als Spuren in Erscheinung
treten, kann zunächst als medientheoretische Pointe des Konstitutionszusammenhanges
von Medien und Mediengebrauch verstanden werden.
Dass Medien umso besser ihrer Aufgabe gerecht werden, je mehr sie ihren
Vermittlungszusammenhang vergessen lassen, wäre ein Aspekt der Indifferenz
von Medien; ein anderer der von Mittel (Medium als Werkzeug und
Mittler) und Zweck (Kommunikation und Mediatisierung) bzw. Medium
und Form. Weniger um die Ausdifferenzierung des Verhältnisses technischer
Apparate und sprachlich-symbolischer Strukturen geht es Szillo in
seiner Arbeit um das sinnlich Wahrnehmbare, die Materialität eines Mediums
und die Konfrontation des Betrachters mit den medialen Möglichkeitbedingungen
seiner Wahrnehmung.
Insofern dokumentiert die Serie von Hohlformen auf marmorierten Ton nicht nur den historischen Wandel bzw. die technische wie technologische Wandlungsfähigkeit eines Mediums,
das sich längst nicht mehr über seine Primärfunktionen (Sprechen/
Schreiben) definiert, sondern sie zeigt einen sich permanent verändernden
medialen Handlungsraum, der andere Operations- und Kommunikationsweisen
bedingt wie ermöglicht.
Neben der Symbiose von Telekommunikation
und Datenverarbeitung, die u.a. in der Entwicklung vom
Mobiltelefon mit analoger Benutzeroberfläche zum iPhone mit Multi-
Touch Screen aufgerufen wird, ist es vor allem die Frage der Körperlichkeit
und Ereignishaftigkeit, die in Form von Abdrücken und im Hinblick auf die
Operativität multimedialer Handlungsweisen neue Perspektiven auf ein
Leitmedium eröffnet.
Christian Ronneburger