Jemand öffnet die Tür. Das Atelier am Ende der Stadt, so, wie du es dir vorgestellt hast: aus den Fenstern nur Leere und Weite, ein altes Haus, ein Speicher? Und der blaue Himmel an diesem kalten Tag, an dem an den Scheiben das Kondenswasser gefriert. Letztes Jahr im März war es wärmer. Ihr kamt mich besuchen, und die Gästematratze füllte meine Wohnung vollständig aus. Ich dachte zu der Zeit unentwegt über das Autobiografische nach und war erfreut zu erfahren, dass es auch anders geht: was die Sätze an Wahrheit behaupten, schafft das Bild zu verbergen, während gleichzeitig alles offen liegt. Die Künstlerin lacht und winkt ab: Ich werde dir nichts erklären. Sie ist aber freundlich dabei.
Intimität ohne Preisgabe, oh! Ich fürchte die Helligkeit mehr als den Hund. Das kann niemand verstehen, hat sie einmal gesagt, und auch wer es erlebt hat, meint danach dann das Eigene, etwas anderes also. Kunst versucht dennoch, etwas Gemeinsames zu provozieren in dieser Unmöglichkeit. Du musst nichts sagen wollen, und was genau du willst, nicht wissen. Es reicht, dass etwas hingestellt wird (bzw. her/dar/aus), das dann paradoxerweise sowohl dir allein als auch allen gehört.
Ist die Hand, die mich streichelt, meine eigene? Bin ich so nah, wie ich glaube, oder warst es nicht eher du, die mir nah kam. Eine uneindeutige Hand, und auch das Licht hab ich mir ausgedacht. Die anatomischen Ungereimtheiten ergeben sich aus dem Körper; du schenkst mir eine Orange. Das erste Mal Baden im See, und auf dem Rückweg, durch die Mücken, Anna auf dem Fahrrad in Shorts. Haben wir es mit der Replik einer Szene zu tun, einer Dokumentation von tatsächlich Dagewesenem? Ich erzähle, was ich gefühlt habe, glaube ich einmal gesagt zu haben, und später, dass es de facto nicht das Auge sei, das malt. Was kann man mit der eigenen Erfahrung, die begrenzt ist, in andre Körper legen? In allen Bildern deine Hand. Ist sich im Gefüge zu denken, auch da noch in Beziehung zu anderen, wo man den Display oder sich selbst anschaut, jetzt etwas typisch Weibliches? Man könnte auch sagen: dass die andren genutzt werden, um der Erinnerung Form zu geben, einer Erinnerung und einer Geschichte, die ganze Wände und Böden bedeckt, sich nicht mehr rückgängig machen lässt (eine Besonderheit der Form) und sich selbst zu setzen nie vergisst. Ich bin ein bisschen stolz darauf; deine Größe steckt an.
Ich mag die Verschlossenheit deiner Bilder. Es ist, als hättest du um das, was dich berührt, eine Schutzschicht gelegt, eine Schutzschicht aus trockenem Aquarell. Lasierend, erklärst du an diesem Nachmittag, im Gegensatz zu deckend, und nimmst mir sanft den Pinsel aus der Hand, mit dem ich mir verzückt den Hals entlang fahre. As hard as you can, eine Angst, die ihren Platz braucht, und dennoch: die weichen Materialien, das abnehmende Licht der Tage. Gegen die Form zu arbeiten, die sich aufdrängt, ist die der Wirklichkeit wohl entsprechendste.
Erst als ich aufschreiben will, wie ein Kind durch die Tür tritt und seine Mutter zu ihm herschauen sieht, nein: erst als ich beschreiben will, wie diese Sehnsucht sich anfühlt (ihre Wärme, ihr Körper, ihr Geruch), fällt mir ein, dass ich mir diese Geschichte nicht ausgedacht habe. Der Verlust von etwas, das sich nicht darstellen lässt. Später wird jemand andres seine Hand an den Ofen legen, werden die Kinder der Eltern vielleicht selbst Eltern geworden sein und ihren Kindern abends vorlesen. Ihren und den Kindern der Freunde, die in der Küche derweil den Tisch abräumen und auf der Couch Zigaretten drehen. Vom Partyrand der Bühne kann man runterfallen. Ist es die Angst vorm Vergessen, die mich malen ließe, wenn ich könnte? Nein, eigentlich Kühnheit. Die meiste Zeit des Lebens ist Alltag (eine Wärmflasche, meine Schwestern, ein Streit). Das Wiederholen dessen würdigt das und erzählt etwas vollkommen Neues. Du öffnest die Tür und schaust zurück: COME CLOSER
Anna Kow